Gerne schneiden prominente Politikerinnen und Politiker Bänder durch, wenn wieder einmal ein Industriebetrieb auf dem Lisdorfer Berg seine Pforten öffnet. Viel wichtiger aber sind die Bänder, die die Industrie revolutionieren werden: Glasfaser und Breitband.
Das Industriegebiet Lisdorfer Berg wurde ab 2010 von Grünen, CDU und FDP ausgewiesen, nicht zuletzt um den Strukturwandel im Saarland einen neuen Impuls zu geben. Dort sollte nach dem Willen der Initiatoren die nächste Generation von großen mittelständischen Industriebetrieben entstehen. Die ökologischen Grundbedingungen der Grünen, keine rauchenden Schlote anzusiedeln, die Kaltluftentstehungszonen zu belassen und einen großzügigen ökologischen Ausgleich zu realisieren, sind zwar erfüllt worden. Wer aber geglaubt hat, die Landesregierung werde die Zeichen der Zeit erkennen und den Lisdorfer Berg zu einem Modell für die High Tech Industrie der Zukunft gestalten, sieht sich enttäuscht. Zwar wurde von den Saarlouiser Stadtwerken (!) die hierfür nötige Infrastruktur in Form von Glasfasern gelegt. Die politischen und technischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung existieren jedoch noch nicht. Für die ist nämlich das Land zuständig.
Was hat die Politik mit 4.0 zu tun?
„Die Politik sollte sich die relativ einfache Frage stellen, wo sie in Sachen 4.0 gefragt ist, “ raten Saarlouiser Grünen. Dann, so die Grünen, käme sie sehr schnell auf die Handlungsfelder, auf denen politische und planerische Steuerung gefragt ist. Die Grünen verweisen auf Baden-Württemberg. Im grünen Musterländle wird unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon seit Jahren an 4.0 gearbeitet. Allianz 4.0 nennt sich dort das Projekt, das die Kompetenzen in Sachen 4.0 bündeln soll. Großes Thema ist neben den sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen der 4. industriellen Revolution die Sicherheit der Netze. Im Saarland fehlt es jedoch schon an den Planungsgrundlagen, beispielsweise einem Masterplan für Glasfaser und Breitband, in dessen Rahmen das Land etwa ein sicheres saarländisches Industrie-Intranet aufbauen könnte.
4.0 ist Ressourcenschonend und effizient
Genauso wichtig wie sichere Netze und landesweiter Ausbau der Infrastruktur ist die gesellschaftspolitische Diskussion über 4.0. Wie wird sich unsere Gesellschaft verändern, wenn immer mehr digital gesteuerte Roboter menschliche Arbeitskraft ersetzen? Wie stehen die Tarifpartner zu dieser Frage? All dies bedarf eines breit angelegten politischen Diskurses, der im Saarland gerade einmal zaghaft begonnen hat. Fast scheint es so, als habe die saarländische Wirtschaftspolitik das Thema verschlafen. Dabei böte der Lisdorfer Berg die Chance, einen Modellversuch zu starten. Das jedenfalls fordern die Grünen. Sie sehen in 4.0 vor allem auch eine Chance für den Umbau der Industrie hin zu mehr Effizienz, Ressourcenschonung und damit mehr Umweltschutz bei der Wertschöpfung.
Den Strukturwandel vorantreiben
„Mit 4.0 können wir den Strukturwandel vorantreiben, mittel- und langfristig weg von den alten Kohlen basierten, umweltschädlichen Produktionslinien, die derzeit noch die Saarschiene dominieren“, sagen die Grünen. Und auch die Energiewirtschaft dürfte Interesse an 4.0 haben, ermöglicht die digitale Vernetzung doch die punktgenaue Versorgung von privaten Haushalten und Wirtschaft mit Elektrizität, auch im Nachkohle-Zeitalter. Das alles scheint in Saarbrücken offenbar noch nicht angekommen zu sein. Fatal für ein Land, das von seinen industriellen Kapazitäten so abhängig ist, wie das Saarland. Zwar gab es vor Kurzem im Wirtschaftsministerium eine breit beworbene Auftaktveranstaltung zum Thema Saarland Industrieland (das 4.0 hatte man wohl vergessen), außer viel digitalem Geflimmer kam aber dabei nicht viel heraus.
Erfolg für die Umwelt: emittierender Betrieb geht aus Wohngebiet
Zurück zum Lisdorfer Berg. Einen ersten Erfolg können die Grünen schon jetzt verbuchen. Mit der Verzinkerei Becker siedelt ein Industriebetrieb auf den Lisdorfer Berg um. Er stand fast 130 Jahre mitten in der Fraulauterner Wohnbebauung. Jetzt bekommt er eine neue, hochmoderne verkapselte Produktionsanlage auf dem Lisdorfer Berg und belässt nur noch die Logistik in Fraulautern. Das ist ein echter Fortschritt in Sachen Umweltqualität.